fußpflege unter der grasnarbe
: Wo erwachsene Leute wie Teddybären behandelt werden

Es passiert fast jedes Wochenende: Irgendein Bundesliga-Dumpfhirn freut sich so über einen Treffer, dass er sich seines Trikots entledigt und vom Schiedsrichter deswegen mit einer gelben Karte verwarnt wird. Rituell ereifern sich dann die Kommentatoren über die vermeintliche Unsinnigkeit einer Regel, die in Wahrheit zum Edelsten gehört was der DFB jemals ersann.

Denn das Herumwedeln mit verschwitzten Textilien zeugt nicht von Lebensfreude, sondern allenfalls von schlechten Manieren und Kamerageilheit. Eigentlich ist gelb noch zu gut für solche Kaspereien. Und nun, wo in Frankfurt a. M. ein revolutionäres Klima herrscht wie anno 1917 in Petersburg, wäre doch der ideale Zeitpunkt für eine Justizreform. Denn es gibt noch weit mehr, das einem das Fußballvergnügen gründlich verdirbt. Also drei Spiele Sperre für torjubelnde Säger, Kinderschaukler, Kanoniere und sonstiges Gehampel aus der Erlebniswelt evangelischer Kindertagesstätten. Und rot, Kerker, Weihwasser und Brot für Glaubensbekenntnisse aller Art.

Lange Jahre mag man es besonders im ziemlich entchristianisierten Norden geradezu niedlich gefunden haben, wenn der brasilianische Einwechselspieler sich minutenlang bekreuzigte bevor er von Gotteshand gehalten auf den Platz schwebte. Doch das war erst der Anfang des Kreuzzuges. Bekenner-T-Shirts in Sachen Jesus, Segnungen unschuldiger Journalisten durch die Ze Robertos und Bordons der Liga – der Fußballfan, der im Stadion Abseits gewohnt ist, kommt immer mehr Jenseits. Und immer mehr Spieler geben auf irdische Fragen übersinnliche Antworten. Zuletzt Sunday Oliseh, der am Samstag nach den Misstönen im Verhältnis zum VfL Bochum gefragt wurde und erzählte, Gott habe ihn da so manches überstehen lassen. Abgesehen davon, dass man an den Fähigkeiten eines Gottes ernsthaft zweifeln muss, wenn er für Bochum verantwortlich sein soll – wen interessiert das alles? Man will ja auch nicht wissen, ob Benni Lauth lieber grüne oder rote Gummibärchen isst, wenn man ihn nach seiner Verletzung fragt. Wer privat und öffentlich nicht unterscheiden kann, soll sich bei Big Brother zum Affen machen. Beim Fußball möge er schweigen.

Schweigen sollten auch viele Kommentatoren, besonders solche die ihre ranschmeißerische Art gerne durch Dauergeduze und Spitznamenorgien garnieren, was wohl nach Insidertum klingen soll. Auch hier ist die Justizreform gefragt. Mit der Unsitte, jeden Nachnamen erst zu strangulieren um ihn dann mit einem I am Ende auch noch der Lächerlichkeit preiszugeben, sollte ein Exempel statuiert werden. Nichts gegen Spitznamen als solche, Holler war sogar ein großartiger, da geradezu lautmalerischer Nickname für Bernd Hollerbach, den Presslufthammer unter den Verteidigern.

Aber Calli, Basti und Toppi? Muss man Erwachsene Leute wie Teddybären behandeln, weil sie irgendein Amt im Fußball bekleiden? Nur weil sich Töppi, Poschi und Waldi freiwillig im Säuglingsslang anmoderieren? Es wird Zeit für eine ganz große Justizreform im deutschen Fußball. Klinsi, übernimm du.